Sehnsuchtsorte
Kapstadt
Normalerweise steigt die Podcasterin, Fotografin und Autorin Lina Mallon im Spätsommer ins Flugzeug Richtung Süden und genießt mehrere Monate das Kap der Guten Hoffnung. Dieses Jahr musste sie zu Hause bleiben.
Es ist jetzt exakt 278 Tage her, seit ich zum letzten Mal auf die eindrucksvollen Silhouetten schaute, die sich über die Bucht erheben. 278 Tage, seit ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages verglühen und die nächtlichen Lichter der Stadt erwachen sah. Ich kann nicht genug bekommen von diesem Anblick, der es auf so viele Postkarten geschafft hat, die ihm aber niemals gerecht werden können: die Zwölf Apostel über Glen Beach in Camps Bay.
Als ich 2014 zum ersten Mal für einen Job in die südlichste Region des afrikanischen Kontinents flog, sagte ich noch zu meiner Reisebegleitung am Gate: "Kapstadt hatte ich nie auf meiner Liste, aber es soll ja schön sein. Mal schauen, wie es wird." Es wurde eine Reise, die mich nicht mehr losließ. Und Kapstadt zu meinem zweiten Zuhause machte. Aber ab März 2020 waren die Grenzen zu und anstatt wie üblich im September runterzufliegen, saß ich in Hamburg fest.
Man sagt, wer einmal in Kapstadt war, seine Füße in den eiskalten Ozean gehalten hat, der vergibt ein Stück seines Herzens an diesen Ort. Als ich 2014 auf die grenzenlose Weite des Meeres und in das unbeschreibliche Licht blickte, während wir bei offenem Fenster über den Chapman’s Peak Drive fuhren, wusste ich, dass das stimmt.
Tel Aviv-Jaffa
Die freie Journalistin Sinah Hoffmann verbringt seit zehn Jahren den Sommer in der lebensfrohen Stadt am Mittelmeer. Manchmal bleibt sie nur wenige Tage, dann wieder ein halbes Jahr. Aktuell bleibt ihr nur eins: das Vermissen.
Es gibt hundert gute Orte für den ersten Abend in Tel Aviv. Mich zieht es trotzdem immer wieder in das Café Hamalabiya. Ich komme wegen der Livebands, die bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Flohmarkt in Jaffa die Saiten ihrer Ud zupfen. Aber auch wegen des Malabi. Denn nichts stimmt mich besser auf die Wochen ein, die vor mir liegen, als dieser Milchpudding mit Krokant und Sirup, der genauso intensiv schmeckt, wie sich die Stadt anfühlt.
Für viele ist diese wilde, zügellose und reizbare Stadt am Mittelmeer eine Zumutung. Für mich ist sie genau richtig. Tel Aviv ist mein persönliches Epizentrum. Hier habe ich mich heftig verliebt, noch heftiger getrennt, unendlich viele Texte geschrieben und auf Bauhausdächern bei Anisschnaps über Treue diskutiert. Und ich habe gelernt, dass Chaos auf den Straßen manchmal Klarheit im Kopf erzeugt.
Dieses Gefühl fehlt mir sehr. Klar ist gerade nämlich nur eins: Die Grenzen sind für ausländische Touristen geschlossen, und ich werde zum ersten Mal innerhalb einer Dekade nicht nach Tel Aviv reisen können. Ich weiß aber auch: In einer Stadt, in der Leidenschaft oder Wahnsinn immer eine Frage der Perspektive sind, geht das Leben mit voller Wucht weiter. Und das ist irgendwie beruhigend.
Cabo de Gata
Der Spanier Juan Moreno ist kein großer Fan der Mittelmeerküste seines Landes – mit einer Ausnahme: Eine naturbelassene Region im Osten Andalusiens ist für den Reporter einfach magisch.
Ich bin Spanier, Südspanier, um genau zu sein. Aus diesem Grund werde ich seit vielen Jahren regelmäßig von meinen deutschen Freunden gefragt, wo an der Mittelmeerküste man am besten Urlaub machen sollte. Sie wollen einen Geheimtipp, eine unentdeckte Ecke. Meine Antwort ist immer gleich: „Fahr nach Griechenland.“ So sehr ich mein Heimatland schätze, so sehr bin ich davon überzeugt, dass Spanien seine Mittelmeerküste ruiniert hat: zu viele Urlaubssiedlungen, zu viele Bauprojekte, zu viele Wasserparks und zu viele Strandpromenaden.
Die Wahrheit ist aber, dass es durchaus einen winzigen Streifen spanischen Mittelmeers gibt, den ich liebe, der aber so untouristisch ist, dass ich ihn nur selten empfehle. Ein 50 Kilometer langer Küstenstreifen in der Provinz Almería, wo meine Eltern leben. Der Cabo de Gata ist seit 1987 Naturschutzgebiet und seit 1997 Biosphärenreservat. Wer schon mal einen amerikanischen Western gesehen hat, weiß, wie es dort aussieht: karge, wüstenähnliche Landschaft, 300 Sonnentage im Jahr, Kakteen, Espartogras, ansonsten ist da praktisch nichts. Keine Bettenburgen, keine Spaßbäder, teilweise kein Netz. Ein touristisch vergessener Ort. Es gibt ein paar Pensionen, ein paar Restaurants, ansonsten ist es ein Ort, der schon vor Corona an eine Pandemie erinnerte, weil er irgendwie verlassen wirkt. Außer im August, wo er sich mit den Tagesausflüglern aus der Provinzhauptstadt Almería füllt.
Wer eine Zeitreise machen will, eine Ahnung davon bekommen möchte, wie Spaniens Mittelmeerküste einmal aussah, und wer im Urlaub Ereignisarmut sucht, fährt an den Cabo de Gata. Sofern es nächsten Sommer wieder möglich ist.
Alle Sehnsuchtsorte unserer Autoren lesen Sie in der ADAC Motorwelt 04/2020.
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